INSPIRATION

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Wer mit offenen Augen durch die Welt läuft, kann überall kreative Inspiration finden.
Wenn ich auf der Suche nach Ideen bin, zieht es mich meist in die Natur, wo ich stets auf neue Farbkombinationen, Formen, Muster und Stimmungen stosse, die mich dazu animieren, etwas Bestimmtes auszuprobieren oder aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten.
Auch im urbanen Umfeld gibt es immer anregende Dinge zu entdecken: Formen, Linien und Anordnungen in der Architektur, Texturen auf Gebäuden oder Strassen, Farben, die nebeneinander interessant wirken, Designs auf Schriftzügen und Plakaten, Schaufensterdekorationen, das Spiel von Licht und Schatten, das neue Muster entstehen lässt… die visuellen Eindrücke sind endlos.
Oft entdecke ich reizvolle Elemente in Katalogen oder Prospekten und manchmal sogar auf Verpackungen.

Eine wundervolle Inspirationsquelle für mich sind auch Museen oder Kunstausstellungen, wo ich stundenlang über den Einfallsreichtum der Menschen staunen kann, die sich in den dort gezeigten Objekten oder Bildern ausgedrückt haben. Gerade in Kunstmuseen interessiert mich unter anderem auch die Technik, mit der ein Künstler ein Werk geschaffen hat, die Entwicklung seiner Arbeiten im Laufe der Zeit oder die Verwendung von gewissen Farben und Elementen in einer Bildkomposition.
Gerade bei letzterem kann ich jeweils sehr viel lernen und nehme die gesehenen Ideen zum Anlass, sie in meinem eigenen Malkämmerchen auszuprobieren, mit ihnen zu üben und in meinem Journal zu experimentieren.

Inspiriert von “Le Gentilhomme à la Pipe et Fleurs” 1968 (Picasso)

Inspiriert von “Le Gentilhomme à la Pipe et Fleurs” 1968 (Picasso)

So entsteht beispielsweise anhand eines Bildes von Pablo Picasso, das ich vor kurzem in in einem Luzerner Kunstmuseum bewundert habe, eine wild-bunte Doppelseite, auf der ich mit den Farbkombinationen experimentiere, die mir besonders gefallen haben und die ansonsten eher weit ausserhalb meiner eigenen Komfortzone liegen. Dabei geht es mir hier nicht darum, irgendetwas aus dem Werk des Meisters zu kopieren, sondern die gesehenen Farben nebeneinander auszuprobieren, verschiedene Muster darauf zu isolieren, mit ihrer Dynamik zu variieren und mit den Elementen zu spielen. Für mich muss es weder “schön”, noch akkurat, noch künstlerisch hochstehend sein, sondern vor allem Spass machen und mir neue Aha-Momente bescheren. Hier habe ich gelernt, das komplementäre Farben nebeneinander eine sehr interessante Spannung erzeugen und es mir eigentlich gefällt, wenn mehrere Schichten relativ schnell und intuitiv übereinander aufgetragen werden und das Resultat nicht ganz so “sauber” und aufgeräumt aussieht.

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Das Thema der Komplementärfarben und ihrer Dynamik hat mich zu einem späteren Zeitpunkt gleich noch einmal angesprochen. In einer Sendung über verschollene Kunstwerke wurde von einem Sonnenblumen-Stilleben des niederländischen Künstlers Vincent Van Gogh berichtet, das offenbar leider in einem Feuer im Zweiten Weltkrieg zerstört wurde. Van Gogh hat von seinen berühmten Sonnenblumenmotiven mehrere Fassungen gemalt, unter anderem um verschiedene Variationen auszuprobieren und die Bilder verschenken zu können. Das zerstörte Bild aus seiner Serie aus sieben Bildern zeigt sechs Sonnenblumen in einer Vase vor einem tiefblauen Hintergrund. Bei dieser Variation hat der Künstler sogar einen orangefarbenen Rahmen um das ganze Bild gemalt, weil er genau wusste, auf welche Weise er sein Motiv präsentieren wollte (ohne den dazumal üblichen vergoldeten Rahmen). Aus den Bildern, die von dem Gemälde noch existieren, geht hervor, dass durch diese Farbwahl eine ganz besondere Stimmung erzeugt wurde, die sich von der auf den anderen Bildern der Serie unterscheidet.

Fasziniert von dieser dynamischen Wirkung von Farben und Stilmitteln habe ich mich inspiriert gefühlt, selber in meinem Journal zu experimentieren.

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Natürlich habe ich bei dieser Spielerei nicht die unnachahmlichen Sonnenblumen Van Goghs angestrebt, sondern mit meiner eigenen Version experimentiert. Auch mit der Farbe der Vase und der Bildkomposition habe ich gespielt, lediglich den Gegensatz zwischen den gelb-orangen Blütenblättern und dem blauen Hintergrund sowie einige kontrastierende Umrandungen habe ich mir vom Meister abgeschaut und endlich dessen Zitat begriffen:

“Es gibt kein Blau ohne Gelb und Orange.”

- Vincent Van Gogh

Damit ich selber den Einfluss des orangfarbenen Rahmens spüren und sehen kann, habe ich mit ihn mit einem Bildbearbeitungsprogramm nachträglich noch eingefügt, so wie es auf dem ersten Bild dieses Posts zu sehen ist. Der Effekt ist wirklich erstaunlich und wird mir für spätere Arbeiten bestimmt im Hinterkopf bleiben.
Um mit meinen Lernversuchen noch einen Schritt weiter zu gehen, bearbeite ich meine Resultate oft in einem Bildprogrammtrick, indem ich sie entsättige und schwarz-weiss erscheinen lasse. So kann ich besser erkennen, wo ich Licht und Schatten so eingesetzt habe, dass sich ein plastisches Bildresultat und Tiefe ergibt und wo ich künftig mit noch mehr Kontrast arbeiten kann.

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So bleibt die Kreativität und das Leben ein fortwährender Lernprozess, der mit offenen Augen, einem neugierigen Herzen und dem Mut, immer wieder etwas neues auszuprobieren, zu einem wunderbar bunten, oftmals chaotischen und ausdrucksvollen Kunstwerk wird.

“What would life be if we had no courage to attempt anything?”

- Vincent Van Gogh